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| Gastbeitrag

Wie wäre es mit einer Wahlarbeitszeit?

Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden verändern sich im Laufe des Berufslebens, weiß Gastautor Thomas Hesse. Er berichtet, was das Klinikum Saarbrücken – DER WINTERBERG anders macht.

© KLINIKUM SAARBRÜCKEN

Flexible Arbeitszeitmodelle und elektronische Zeiterfassung sind ein alter Hut“, dachte ich lange, denn bei uns im Klinikum Saarbrücken auf dem Winterberg kommen seit 2001 alle Ärzte und Ärztinnen in den Genuss flexibler Arbeitszeit-Modelle – verbunden mit moderner EDV-gestützter Dienstplanung und Zeiterfassung. Mittlerweile gibt es klinikweit rund 300 verschiedene Arbeitszeitmodelle; maßgeschneidert für die einzelnen Berufsgruppen und Bereiche mit ihren jeweiligen ganz unterschiedlichen Anforderungen.

Zwischenzeitlich weiß ich, dass sich immer noch viele Arbeitgeber scheuen, insbesondere im ärztlichen Bereich transparente, flexible und für beide Seiten faire Bedingungen zu schaffen.

Lassen wir mal die immer komplexer werdenden tarifrechtlichen Anforderungen und die aktuelle Rechtsprechung zur Arbeitszeiterfassung außer Acht, die aus meiner Sicht eine elektronische Zeiterfassung obligat machen.

Work-Life-Balance betrifft alle

Fakt ist, dass sich die Bedürfnisse der Mitarbeitenden im Laufe des Berufslebens verändern. Als Arbeitgeber sollten wir entlastende und gute Rahmenbedingungen schaffen. Generationenübergreifend wünschen sich viele eine ausgewogene Work-Life-Balance und möchten mehr mitreden, was die Arbeitszeitgestaltung betrifft. Insbesondere in den Bereichen, in denen Fachkräfte rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr für die Patientinnen und Patienten im Einsatz sind, schauen wir besonders genau hin.

Vor zehn Jahren haben wir klinikweit „echte“ Wahlarbeitszeit zur besseren Vereinbarkeit von Beruf & Familie eingeführt. Das Angebot, das jedem Mitarbeitenden erlaubt, auf das eigene Leben angepasst zu arbeiten, wird stark nachgefragt – mit ganz unterschiedlichen Motiven: Die einen betreuen pflegebedürftige Angehörige, die anderen machen eine Weiterbildung und manche wollen einfach mehr Zeit für sich und die Familie haben. Manche sagen auch, dass die Arbeitsdichte erheblich zugenommen hat. Bei einer 80-Prozent-Stelle hat man dann regelmäßig frei. Das steigert die Lebensqualität enorm. Der Vorteil gegenüber der gesetzlichen Brückenteilzeit ist, dass mit kurzen Ankündigungsfristen das Arbeitszeitvolumen angepasst werden kann.

Pflegezeiten flexibler managen

Stichwort „pflegebedürftige Angehörige“: Insbesondere in dieser Lebenslage sind Berufstätige von „jetzt auf gleich“ vor eine immense Herausforderung gestellt. Dann müssen oft innerhalb kürzester Zeit Entscheidungen getroffen werden. Hierfür bieten wir – neben der Möglichkeit der Wahlarbeitszeit – auch eine Beratungsstelle in Form einer Pflege-Lotsin an, um unseren Beschäftigten eine erste Orientierung zu geben und sie an passende Ansprechpersonen innerhalb und außerhalb des Betriebs zu vermitteln.

Mit flexiblen Arbeitszeiten punkten wir aber auch bei unseren Beschäftigten, die sich im Moment nicht in einer besonderen Lebenssituation befinden. Wunschdienste, persönliche Verfügbarkeiten, erforderliche Qualifikationen, die aktuelle Patientenbelegung und vieles mehr müssen im Dienstplan Tag für Tag berücksichtigt werden.

Um hier eine Win-Win-Situation für alle zu erreichen, hilft die elektronische Zeiterfassung in Verbindung mit der digitalen Dienstplanung. Ein wesentliches Kernelement ist, dass die Arbeitszeit-Souveränität weitestgehend in die Hände der Teams gelegt wurde – Rahmenbedingungen in einer Betriebsvereinbarung flankieren dies und fokussieren die Vereinbarkeit von flexibler Arbeitszeitgestaltung im Einklang mit einer patienten- und bedarfsgerechten Versorgung. Seit kurzem unterstützt auch eine App. Die Möglichkeit, Dienstreisen, Urlaube, Gleitzeitfrei oder Mobiles Arbeiten auch außerhalb der Arbeitszeit zu beantragen und zu genehmigen, kommt auf dem Winterberg gut an. Derzeit entwickeln wir eine durchgängige digitale „Wunschplanung“. So soll künftig die Ärzteschaft ihre Dienste bzw. Bereitschaften selbstständig disponieren. Das System prüft automatisch, ob die erforderlichen Qualifikationen oder Fachkenntnisse vorhanden sind und die Arbeitszeitregeln eingehalten werden.

Ich weiß, dass wir nur durch Aufbrechen bestehender Strukturen als attraktiver Arbeitgeber bestehen können. Die konsequente Mitarbeiterorientierung und Flexibilisierung der Arbeitszeiten ist einer von vielen Bausteinen in unserem Portfolio, das uns als regionaler Spitzenversorger eine hohe Versorgungssicherheit ermöglicht und uns gleichzeitig zu einem attraktiven Arbeitgeber macht.

Ein Gastbeitrag von Thomas Hesse, Personaldirektor und Prokurist im Klinikum Saarbrücken, für BDI aktuell 12/2022