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Kein Geld, keine Leistung

Der Virchowbund plädiert aufgrund der angespannten Lage in den Praxen dafür, künftig nur noch an vier Tagen in der Woche für die Versorgung geöffnet sein. Viele Ärzteverbände stellen sich hinter diese Forderung.

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Die Stimmung unter den Niedergelassenen ist weiterhin gereizt. Seit Gesundheitsminister Karl Lauterbach im Herbst 2022 die Neupatientenregel abgeschafft hat, sind die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte auf den Barrikaden. Selten gab es innerhalb der Ärzteschaft so viel Frust und Einigkeit: Es reicht! Deshalb reißen die bundesweiten Protesttage – zuletzt in Schleswig-Holstein und in Hessen – auch im neuen Jahr nicht ab.

Die nächste Eskalationsstufe hat nun der Virchowbund eingeleitet. Anfang Januar rief der Verband die Niedergelassenen dazu auf, den Praxisbetrieb auf eine Vier-Tage-Woche umzustellen. Der Mittwoch solle zukünftig dafür genutzt werden, bürokratische Aufgaben zu erledigen und Fortbildungen zu machen, so der Bundesvorsitzende Dr. Dirk Heinrich. Der Aufruf ist eine Reaktion auf die angespannte Lage in den Praxen. Durch die Energiepreisexplosion und die Inflation stünden die Praxen unter enormen Kostendruck. Gleichzeitig erhielten die Vertragsärzte nicht genügend finanzielle Unterstützung. Als Beispiel nennt der Virchowbund das budgetierte Finanzierungssystem in der vertragsärztlichen Versorgung, der Streichung der Neupatientenregelung und das schlechte Ergebnis der letzten Honorarverhandlungen mit den Krankenkassen. „Für uns ist deshalb klar: Leistungen, die nicht bezahlt werden, können auch nicht erbracht werden. Deshalb müssen wir unsere Leistungen einschränken“, so Heinrich.

Rückendeckung erhielt der Virchowbund für diese Positionierung von zahlreichen Verbänden und Vertretern der ärztlichen Selbstverwaltung – mit der Ausnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Die Allianz Deutscher Ärzteverbände – ein Zusammenschluss sechs großer Dachverbände, u.a. auch der BDI – begrüßte die Forderung nach einer Vier-Tage-Woche mit dem Hinweis, dass unter den aktuellen Bedingungen weder im ambulanten noch im stationären Bereich die Nachfrage nach Diagnostik, Therapie, Betreuung und Zuwendung im Rahmen einer Regelarbeitszeit ausreichend erfüllt werden könne. „Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass viele Kolleginnen und Kollegen nicht bereit sind, unverändert weiterzumachen“, meint auch BDI-Präsidentin Christine Neumann-Grutzeck. Für sie ist der Aufruf die logische Konsequenz politischer Versäumnisse und der kontinuierlichen Missachtung der Niedergelassenen.

Gleichzeitig könne es keine dauerhafte Lösung sein, dass Patientenströme durch die Leistungseinschränkungen der Vertragsärztinnen und -ärzte in den stationären Bereich umgeleitet werden. „Die Arbeitsbelastung in den Kliniken ist ebenfalls extrem hoch. Die stationär tätigen Kolleginnen und Kollegen arbeiten seit Monaten – insbesondere in der aktuellen Infektwelle – am Limit. Deswegen darf die Politik die Versorgungsbereiche nicht gegeneinander ausspielen“, so Neumann-Grutzeck weiter.

Die Ärzteverbände fordern deshalb mit Nachdruck tiefgreifende Reformen von der Politik und bessere Rahmenbedingungen, um die Arbeitssituation von Ärztinnen und Ärzten und deren Teams spürbar zu verbessern. Die Verbände sehen die Vier-Tage-Woche daher auch als Zeichen gegen die immer stärker ausufernde Bürokratie sowie den Fachkräftemangel. Wenn Praxen künftig nur noch an vier Tagen in der Woche für die Versorgung geöffnet sind, könne dies für eine Entlastung des Personals sorgen und die Attraktivität des Arbeits- und Ausbildungsplatzes erhöhen.

Die Kernforderung in der Debatte bleibt jedoch, die Unterfinanzierung des Systems zu beheben und die Budgetierung der vertragsärztlichen Leistungen abzuschaffen. Dass die Politik den Zusammenhang zwischen Budget und Leistungsmenge längst erkannt hat, zeigen die vorweihnachtlichen Ankündigungen des Gesundheitsministers, die niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte zu entbudgetieren. Aus Sicht der Ärzteverbände wäre jedoch die Entbudgetierung aller Fachgruppen notwendig, um weitere Versorgungsengpässe zu vermeiden. „Die politische Untätigkeit und Fehlsteuerung der letzten Jahrzehnte zwingt die Ärzteschaft, die Notbremse zu ziehen“, so Dr. Heinrich. Andernfalls drohten noch schlimmere Folgen für die Patientinnen und Patienten.

(bs)

erschienen in BDIaktuell 2/2023