StartseitePresseKontakt

| Interview

GOÄneu soll bis Ende des Jahres stehen

Bis Jahresende soll Gesundheitsminister Karl Lauterbach die GOÄneu auf den Weg bringen, so die klare Forderung des 126. Ärztetages. BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt unterstreicht diese Forderung im Interview und erläutert, was es mit der geplanten Testphase auf sich hat.

© Hartmannbund

BDI: Herr Dr. Reinhardt, was war ihr persönliches Highlight des vergangenen Deutschen Ärztetags?

Dr. Klaus Reinhardt: Mein persönliches Highlight war der Tagesordnungspunkt „Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche“. Es war mein Herzenswunsch dieses Thema anzusprechen und in die Öffentlichkeit zu tragen. Deswegen fand ich es auch bemerkenswert, dass Herr Lauterbach in der Eröffnungsveranstaltung darauf hingewiesen hat, dass Schulschließungen für ihn nicht mehr infrage kommen. Auch die Referenten sowie die dreistündige Diskussion waren großartig, was die Standing Ovations der Delegierten gezeigt haben. Neben diesem Punkt war natürlich auch die Übergabe der konsentierten GOÄneu an den Minister ein Highlight!

Wie geht es jetzt in puncto GOÄ in den nächsten Monaten weiter?

Wir haben uns mit der PKV darauf verständigt, mit den von uns betriebswirtschaftlich kalkulierten Preisen einen Testbetrieb durchzuführen. Wir wollen analysieren, was konkret dabei herauskommt, wenn ärztliche Leistungen synchron auf Basis der alten sowie der neu entwickelten GOÄ abgerechnet werden. Dieser Testbetrieb ist für uns gut, um sicherzustellen, dass wir auch tatsächlich ein Plus erwirtschaften. Und er ist gut für die PKV, weil sie dann sicherer und besser abschätzen kann, was auf sie zukommt. Dieses Maß an Sicherheitsbedürfnis seitens der Versicherungsunternehmen kann ich nachvollziehen. Wenn wir das System als solches nicht infrage stellen wollen, dann müssen wir mit dazu beitragen, dass es vernünftig laufen kann. Um es aber klar zu sagen: Unser Ziel ist es Ende des Jahres eine finale mit der PKV abgestimmte Version der GOÄ abzugeben. Sollte das nicht gelingen – und hierzu gibt es ja auch einen Ärztetagsbeschluss – geben wir Ende des Jahres das längst bestehende ärztliche Konvolut ab, welchem ja eine rationale Preiskalkulation nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben zugrunde liegt.

Da es ja schon betriebswirtschaftlich kalkulierte Preisvorschläge gibt, könnte man sich fragen, was die Ärzteschaft durch diese Testphase gewinnen kann. Was sagen Sie dazu?

Preise – selbst, wenn sie kalkuliert sind – sind natürlich nicht sakrosankt. In der Kalkulation wurden Annahmen getroffen. Diese Annahmen kann ich hoch oder niedrig einstellen. Es ist zunächst einmal geübter Duktus und auch nachvollziehbar, die Annahmen hoch einzustellen. Aber kein Mensch auf dem freien Markt kann davon ausgehen, dass er den hoch eingestellten Preis schließlich auch erhält. Es wäre infantil zu glauben, dass man nur den Preis hoch genug einstellen müsse und dann sei die Welt in Ordnung. Die Welt besteht aus Geben und Nehmen und aus Kompromissen. Sollten wir an den Punkt kommen, an dem wir feststellen, dass die andere Seite nicht kompromissfähig ist, dann werden wir bei unserer Primärposition bleiben und unseren Vorschlag einseitig einreichen.

Wie soll denn die Testphase ausgestaltet werden, damit auch ein valides und belastbares Ergebnis herauskommt?

Wie die Testphase konkret ausgestaltet werden wird, ist aktuell noch Gegenstand von Verhandlungen. Aber natürlich muss die gezogene Stichprobe repräsentativ sein. Deswegen ist es u.a. wichtig, dass auch Rechnungen aus unserem eigenen Beritt berücksichtigt werden und die Testphase nicht ausschließlich auf Rechnungen der PKV basiert. Es gibt nämlich beispielsweise durchaus unterschiedliche Annahmen darüber, wie expansiv die Ärzteschaft das Regelwerk auslegen wird, obschon das eigentlich ziemlich eindeutig im Regelwerk geregelt ist.

Gehen Sie davon aus, dass es sowohl Positionen gibt, die anschließend zugunsten der Ärzteschaft als auch zugunsten der PKV nachjustiert werden müssen?

So ist es! Aber um es klar zu sagen: Die Testphase dient erst mal als Bestandsaufnahme. Es wird nicht einfach an Preisen gedreht werden. Wenn wir Nachbesserungsbedarf feststellen sollten, wird eine Rückkopplung an die betroffenen Verbände erfolgen. Das ist mir eine ganz wichtige Botschaft! Sie können sich sicher sein, dass wir das Verfahren sehr transparent handhaben werden.

Was können die freien Verbände jetzt noch tun, um der GOÄneu als Geburtshelfer zu dienen?

Die freien Verbände sollten gebetsmühlenartig an allen Stellen darlegen, dass es ein absolutes Unding ist, dass Versicherte intransparente Rechnungen erhalten und die dort aufgelisteten Preise keiner rationalen Bewertung folgen, da die GOÄ auf einer völlig veralteten Leistungsbeschreibung fußt. Es muss klar sein, dass die Politik eine Verantwortung hat, die nicht mehr zu ignorieren ist. Es sind ja 10 Prozent der deutschen Bevölkerung betroffen!

Minister Lauterbach hat kürzlich für Verwunderung gesorgt, als er sagte, dass die PKV schon immer einen Platz in seinem Herzen gehabt habe. Ergeben die Äußerungen des Ministers für Sie ein nachvollziehbares Gesamtbild?

Möchte man das feine Gleichgewicht zwischen der GKV und der PKV, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, nicht tangieren, dann muss man dafür sorgen, dass die Gebührenordnung schnell angepasst wird. Auch im GKV-System gibt es ja regelmäßige Anpassungen. Nicht-Handeln würde dieses feine Gleichgewicht viel mehr infrage stellen als zeitnahes Handeln. Vor diesem Hintergrund ergeben die jüngsten Äußerungen des Ministers für mich ein stimmiges Gesamtbild.

Herzlichen Dank für das Gespräch.