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Haben Ferien ein Ablaufdatum?

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts bewertet die gesetzliche Verjährungsfrist von Urlaubsansprüchen neu. Urlaub verjährt demnach nur, wenn Unternehmen vorher ihre Beschäftigten darauf hingewiesen haben, dass ihnen Urlaub zusteht, der bei fehlender Inanspruchnahme verfällt.

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Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) stärkt die Rechte von Beschäftigten bezüglich ihrer Urlaubsansprüche, indem es der Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) folgt: Urlaub verjährt nur, wenn Unternehmen vorher ihre Beschäftigten darauf hingewiesen haben, dass ihnen Urlaub zusteht, der bei fehlender Inanspruchnahme verfällt. Fehlt es hieran, können auch noch Ansprüche aus früheren Jahren geltend gemacht werden. Auf die regelmäßige dreijährige Verjährung nach nationalem Recht (§§ 214, 194, 199 BGB) dürfen sich Arbeitgeber in solchen Fällen nicht berufen.
Ausgangspunkt des Urteils des BAG vom 20.12.2022 (Az.: 9 AZR 266/29) war folgender Sachverhalt: Die klagende Arbeitnehmerin war bei ihrem Arbeitgeber von November 1996 bis Ende Juli 2017 beschäftigt. Da immer viel zu tun war, hatte sie ihren Urlaub nie vollständig in Anspruch genommen. Als die Arbeitnehmerin dann aus dem Arbeitsverhältnis ausschied, machte sie noch die Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren geltend.

Nationales vs. europäisches Recht
Während das erstinstanzlich erkennende Arbeitsgericht die Klage auf Abgeltung bis auf die Urlaubstage des Jahres 2017 abwies, gab das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urt. v. 21.2.2020, Az.: 10 Sa 180/19) der Klägerin Recht und verurteilte den Arbeitgeber zur Abgeltung des geltend gemachten Urlaubs, sowohl für das Jahr 2017 als auch für die Vorjahre 2013 bis 2016, hinsichtlich der Arbeitgeber sich auf die Einrede der Verjährung berufen hatte.
Rechtliche Streitfrage, die das BAG damit zu beantworten hatte, war die "Haltbarkeit" von Urlaubansprüchen. Wäre die Frage allein nach nationalem Recht in Form des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) zu beurteilen, wäre die Lösung einfach: Urlaub, der im aktuellen Kalenderjahr nicht genommen wird, verfällt mit dem Ende des Kalenderjahres, spätestens aber zum 31. März des Folgejahres (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Noch bestehender Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht beansprucht werden konnte, ist auszuzahlen (§ 7 Abs. 4 BUrlG).

Angemessene Aufklärung entscheidend
Allerdings ist das deutsche Arbeitsrecht maßgeblich durch das europäische Recht geprägt. Eine für den aktuellen Fall relevante Entscheidung hatte der EuGH schon 2018 (Az.: C-684/16) getroffen und festgestellt, dass Urlaub nur verfallen könne, wenn der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber „durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde“, den Urlaubsanspruch auch wahrzunehmen. Das BAG setzte diese Entscheidung bereits 2019 um (Az.: 9 AZR 423/16) und schuf eine arbeitgeberseitige Hinweis- und Aufklärungspflicht als Obliegenheit eines Arbeitgebers. Nur, wenn der Arbeitgeber diese erfülle, könne Urlaub nach den Vorgaben des BUrlG überhaupt verfallen.

Vorliegend berief sich der Arbeitgeber zudem auch auf die Verjährung der Urlaubsansprüche. Hierzu entschied das BAG nach Vorgaben einer weiteren EuGH-Entscheidung vom September 2022 (EuGH C-120/21), dass es zwar richtig sei, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran habe, "nicht mit Anträgen auf Urlaub oder finanzieller Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub konfrontiert werden zu müssen, die auf mehr als drei Jahre vor Antragstellung erworbene Ansprüche gestützt werden".  Allerdings sei dieses Interesse nicht mehr berechtigt und schützenswert, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor nicht in die Lage versetzt habe, den Urlaub tatsächlich wahrzunehmen. Denn dadurch habe er sich selbst in eine Situation gebracht, "in der er mit solchen Anträgen konfrontiert" werde und überdies "zulasten des Arbeitnehmers Nutzen ziehen könnte".

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